Haben Sie schon mal einen Berater vor die Tür gesetzt?
Ich schon. Es ist zwar schon einige Jahre her, jedoch gibt es ähnliche Situationen leider immer noch. Ich war damals noch Mehrheitseigentümer und alleiniger Geschäftsführer eines österreichischen Softwareproduzenten. Wir erstellten individuelle eLearning Inhalte und ein Standardprodukt für Autoren von eLearning Kursen. Sie können sich darunter so etwas Ähnliches wie Microsoft PowerPoint© vorstellen, nur halt nicht für die Erstellung von Folien sondern eben für die Erstellung von eLearning Kursen.
Meine Assistentin hatte einen Unternehmensberater am Telefon, der mir ein sehr interessantes Angebot unterbreiten wollte. Ich bin zwar, wie die meisten Menschen, kein großer Freund von Kaltakquisition am Telefon, aber weil wir selbst auch hin und wieder über diesen Kanal versuchten, unsere Produkte zu vermarkten, nahm ich das Gespräch an. Er bot mir eine kostenlose Analyse auf Basis der letzten Bilanz im Rahmen eines ca. zweistündigen Termins bei mir im Büro an und war überzeugt, dass er mir am Ende einige konkrete Verbesserungsvorschläge machen könne.
So kam es zum Termin. Er bekam eine Kopie der letzten Bilanz und vertiefte sich eine gute Viertelstunde in die Zahlen. Daraufhin erklärte er mir, dass mein Unternehmen stark überschuldet ist und die Personalkosten in Relation zum Umsatz viel zu hoch sind und ich sofort mit der Sanierung, sprich Personalreduktion, beginnen muss, wenn ich nicht demnächst die Insolvenz anmelden will. „In spätestens drei Monaten sind Sie pleite“, höre ich ihn noch heute sagen. Bis dahin stellte er mir keine einzige Frage und auf die meine, ob er sich mit Softwareunternehmen auskenne, antwortete er kurz: „Das spielt bei den Zahlen keine Rolle“. Nach einem weiteren kurzen heftigen Wortwechsel habe ich ihn vor die Tür gesetzt.
Fachlich hatte er die Bilanz korrekt analysiert, nur die daraus gezogenen Schlüsse waren falsch. Das negative Eigenkapital war einfach auf den Umstand zurück zu führen, dass selbsterstellte Softwareprodukte nicht aktiviert werden können, ganz im Gegensatz zu handfesten Produkten, wie z.B. Kühlschränke, die auf Lager liegen. Das Unternehmen befand sich gerade in einer Expansionsphase und ich führte es bewusst „hart am Wind“. Das Alles interessierte ihn nicht.
Es ist eben nicht immer alles so wie es scheint. Eine gute Unternehmensberaterin oder einen guten Unternehmensberater erkennen Sie schon im Erstgespräch am Stellen der richtigen Fragen.
Hätte mich der Berater nach der Analyse z.B. gefragt: „Wie gehen Sie mit dem hohen negativen Eigenkapital um?“, dann wäre er wohl nicht vor die Tür gesetzt worden, und ich könnte diese Erfahrung nicht mit Ihnen teilen.